Patienten & Angehörige
Diamorphin ist pharmazeutisch hergestelltes „Heroin“, steht in einigen europäischen Ländern zur Behandlung der Opiatabhängigkeit zur Verfügung und kann somit legal per Rezept von speziell qualifizierten Ärzten verordnet werden.
"Heroin" ist ein nach wie vor eingetragenes Warenzeichen der Firma Bayer für das Medikament Diacetylmorphin, welches erstmalig 1874 in England synthetisiert und publiziert wurde. Diacetylmorphin gehört zur Familie der Opiate und entfaltet seine Wirkung über eine starke Bindung an den Opiatrezeptoren.
Straßenheroin enthält lediglich maximal 5-9 % Diamorphin, die restlichen Bestandteile setzen sich zusammen aus Streckmitteln, bakteriellen und viralen Verunreinigungen sowie weiteren Schadstoffen. Diese sind verantwortlich für körperlichen Schäden durch Straßenheroin.
In der subjektiv empfundenen Wirkung ähneln sich Straßenheroin und Diamorphin, wobei Diamorphin häufig als „reiner“ empfunden wird.
Diamorphin führt zur Beruhigung, Sedierung und Reduktion psychischer Spannungen und vermittelt dasselbe Gefühl von Geborgenheit, Halt, Schutz und Vertrauen wie Straßenheroin. Der Beikonsum mit Straßenheroin nimmt dadurch in der Regel ab, da nicht nur der Entzug gemildert wird, sondern auch der Suchtdruck zurückgeht und die Lebensqualität nimmt zu.
Diamorphin wird unter Aufsicht selbst – in der Regel intravenös – injiziert.
Es besteht die Möglichkeit ein-, zwei- oder dreimal täglich zur Vergabe des Diamorphins zu erscheinen, je nach individuellen Bedarf der PatientInnen. Die weit verbreitete Ansicht, dass Diamorphin dreimal täglich eingenommen werden muss, ist dagegen falsch!
Diamorphin kann – wie auch alle anderen Opioide – je nach (Über-)Dosierung zu diversen Nebenwirkungen führen. Hierzu zählen Atemdepression, Übelkeit/Erbrechen, Verstopfung, Halluzinationen, Benommenheit, Ohnmacht und Mundtrockenheit. Eine Überdosierung wird in der Regel durch die kontrollierte Abgabe in der Ambulanz vermieden werden.
- Vollendetes 23. Lebensjahr
- Mindestens 5 Jahre opiatabhängig mit schwerwiegender körperlicher und psychischer Funktionsstörung
- Überwiegend intravenöser Konsum
- Nachweis über zwei erfolglose Behandlungen, davon eine mindestens 6-monatige Substitutionsbehandlung mit psychosozialer Betreuung
Nachdem die Voraussetzungen für die Behandlung mit Diamorphin (Alter, Dauer der Abhängigkeit, etc.) geklärt wurden, wird eine Urinkontrolle gemacht, um Opiate im Körper nachzuweisen. Sind diese vorhanden, wird zunächst eine geringe „Probedosis“ vergeben, um die Verträglichkeit des Medikaments zu testen. Danach wird die Diamorphindosis schrittweise an den individuellen Bedarf der PatientInnen angepasst.
Der Beginn der Behandlung ist bei der Erfüllung der Voraussetzungen in der Regel am Tag der Erstvorstellung möglich.
Nein. Eine Take-Home-Verordnung zur Einnahme des Diamorphins außerhalb der Ambulanz ist im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in Deutschland nicht möglich.
Vor einer geplanten Reise etc. kann jedoch eine Umstellung auf alternative Substitutionsmittel wie z.B. retardiertes Morphin oder Methadon erfolgen. Wenn alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Take-Home-Verordnung klassischer Substitute möglich.
Die Kombination von Diamorphin mit anderen Substitutionsmitteln ist möglich und sinnvoll, um den Eintritt von körperlichen Entzugssymptomen dauerhaft zu vermeiden. Hierzu eignen sich gewöhnlich alle klassischen oralen Substitute (eingeschränkt auch Buprenorphin).
Nach einer Phase der Einstellung und Stabilisierung auf eine Erhaltungsdosis ist die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit grundsätzlich problemlos möglich.
Dadurch die Kombination von Diamorphin mit anderen Substitutionsmitteln kann die Zeit bis zum Auftreten von Entzugssymptome auftreten, deutlich verlängert werden. So zeigt sich eine bisher nicht bekannte Flexibilität in der Substitutionstherapie, welche sich positiv auf die Gestaltung der Tagesstruktur auswirkt.
Außerhalb der Diamorphinambulanz ist die Fortführung der Behandlung mit Diamorphin derzeit aufgrund bestehender gesetzlicher Vorgaben in Deutschland nicht möglich.
Für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes ist eine vorübergehende Umstellung auf andere Substitutionsmittel problemlos möglich.
PatientInnen treffen im Eingangs-/Wartebereich der Ambulanz ein und haben hier begleitend die Gelegenheit, sich mit allen suchtassoziierten, nichtmedizinischen Themen und Problemen an unsere einrichtungseigenen MitarbeiterInnen der psychosozialen Betreuung (PSB) sowie des Betreuten Wohnens (BEWO) zu wenden. Kostenlos werden Kaffee, Snacks und Obst angeboten, Raucherbereiche innerhalb der Einrichtung stehen (je nach Standort) zur Verfügung.
Bei Ankunft der Ambulanz erhalten die PatientInnen eine farbliche Wartekarte, um die Reihenfolge bei der Medikamentenvergabe zu regeln.
Vor jeder Diamorphinvergabe muss eine gesetzlich vorgeschriebene Atemalkoholkontrolle durchgeführt werden. Die eigentliche Diamorphinvergabe findet anschließend im sogenannten Applikationsraum statt (vergleichbar mit einem Konsumraum). Hier erhalten die PatientInnen das individuell dosierte Diamorphin und eine eventuelle Begleitmedikation. Unter Aufsicht von Mitarbeitenden wird das Diamorphin selbstständig (ohne fremde Hilfe) appliziert. Im Anschluss der Behandlung ist eine kurze medizinische Nachbeobachtung nötig.
Anschließend können die PatientInnen gehen oder sich in den Aufenthaltsbereichen aufhalten.
Je nach Standort werden ca. 150 bis 250 PatientInnen täglich zur Vergabe erscheinen.
In der Regel findet die Diamorphinvergabe an 365 Tagen im Jahr zwischen 7:30 Uhr und 16:30 Uhr statt. Es gibt eine einstündige Mittagspause, in welcher die Ambulanz geschlossen ist.
Die Öffnungszeiten können standortabhängig etwas variieren.
Die Behandlungsdauer richtet sich grundsätzlich nach dem individuellen Bedürfnis der PatientInnen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Mindest- oder Maximaldauer existiert nicht.
In Studien konnte belegt werden, dass unter einer Diamorphinbehandlung - im Vergleich zur klassischen oralen Substitution - der Beikonsum mit illegalen Substanzen und Alkohol erheblich zurückgeht. Positive Effekte auf die körperliche und seelische Gesundheit, das kriminelle Verhalten und eine bessere Reintegration in die Gesellschaft wurden messbar nachgewiesen.
Alle Details hierzu können unter http://www.heroinstudie.de/ nachlesen werden.
MEDIKUS ist ein loser, juristisch nicht bindender Zusammenschluss selbständig agierender KollegInnen / Arztpraxen mit der schwerpunktmäßigen klassischen und diamorphingestützten Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger sowie einer stets begleitend durchgeführten hausärztlichen, internistischen und neurologisch-psychiatrischen Mitbehandlung.
Nach dem Motto "Herz, Mut und Verstand für die Sucht" haben sich die ÄrztInnen der MEDIKUS Gruppe gemeinsam schwerpunktmäßig der dringend benötigen Ausweitung der Diamorphinbehandlung zur Optimierung der Patientenversorgung sowie dem Abbau der Hürden der Diamorphinvergabe verschrieben.
In den ersten 6 Behandlungsmonaten mit Diamorphin wird die PSB gesetzlich vorgeschrieben. Dazu wird an allen Standorten von unseren eigenen SozialpädagogInnen/ SozialarbeiterInnen (Dipl./ B.A./M.A.) oder ähnlich ausgebildetem Personal PSB als Serviceleistung angeboten.
Hierdurch ergänzen und bereichern wir von Medikus das kommunale Suchthilfeangebot.
Wenn die PatientInnen bereits gut bei ihren bisherigen PSB-Anbietern angebunden waren, können sie dort gerne bleiben und unsere Angebote als Ergänzung ansehen.